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"Ich trage es und ihr helft mir dabei durch Euer Gebet, durch Eure Geduld, durch Euer Gottvertrauen, durch Eure Ergebung in den Willen Gottes. Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachtragen, mit allen wollen wir gut sein."

Seliger Georg Häfner

„Der eine Zeuge steht für die vielen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Sonntag, 15. Mai 2011, beim Pontifikalgottesdienst im Kiliansdom zur Seligsprechungsfeier von Pfarrer Georg Häfner

Mit dem Blick auf die Seligsprechung von Pfarrer Georg Häfner am heutigen Tag, habe ich für unser Bistum Würzburg den Leitsatz gewählt: „Jetzt ist die Zeit der Gnade“. Angesichts dieser Seligsprechung gewinnen diese Worte aus der Heiligen Schrift ihre innere Mitte.

„Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade, jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2) schrieb der heilige Paulus den Christen in Korinth, um ihnen Mut zu machen, sich der großen Chancen in ihrer Zeit bewusst zu werden.

Wir leben alle in der kleinen Weile (vgl. Hebr 10,37) zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft Jesu Christi. Das ist ‚unsere‘ Zeit der Gnade. Diese kleine Weile ist eine Zeit der Pilgerschaft, eine Zeit der Prüfungen und auch der Leiden, die uns auf die kommende Herrlichkeit vorbereiten sollen. Das, was für die Menschheitsgeschichte insgesamt gilt, trifft auch auf die Lebenszeit eines jeden von uns zu: Unser Leben ist ein Pilgerweg zu Gott.

Viele mögen dies anders sehen und die wenigen Jahre, die sie auf dieser Erde leben können, als die einzige greifbare Existenz verstehen, die es voll auszukosten gilt. Wenn dieses kurze Leben aber alles ist, liegt auch die Versuchung nahe, alle Mittel zu nutzen, um das eigene Dasein so angenehm wie möglich zu machen und – ohne Rücksicht auf Verluste – das eigene kurze Leben auszukosten. Dass sich dabei leicht Enttäuschungen und Frust einstellen, weil wir eben nicht in einem Paradies leben und mit Brüchen, Rückschlägen, Krankheit und Tod konfrontiert werden, erfahren wir alltäglich.

Unser neuer Seliger, Pfarrer Georg Häfner, war ein schlichter, kantiger Mann Gottes, der seine Hoffnung ganz auf Gottes Dasein ausgerichtet hatte. Er lebte aus der Gewissheit: Gott ist unter uns. Und unser Leben wird vollendet werden, wenn wir uns auf Gott hin orientieren.

Pfarrer Häfner war ein Mann des Gebetes und stark im Glauben.

Schon als Kind sah man ihn oft mit Gebetbuch und Rosenkranz. Sowohl als Ministrant in Himmelspforten als auch als Ferienkind im Geburtsort seines Vaters in Impfingen fiel seinen Spielkameraden und Verwandten auf, dass er sich oft zurückzog, um im Gebet bei Gott zu verweilen. Er tauchte innerlich ganz in Gottes Gegenwart ein und fand einen tiefen Zugang zum gegenwärtigen Herrn in der heiligen Eucharistie. Auf die Feier der heiligen Messe bereitete er sich als Priester in Stille vor und nahm sich genügend Zeit für die Danksagung. Die tägliche Anbetung vor dem Tabernakel war ihm selbstverständlich. Dieses bei Gott Verweilen ließ ihn die Frohe Botschaft als lebensnahe Wirklichkeit erfahren, die aufbaut und heilt. Das war mehr, als ein harmloses frommes Ausweichen in eingebildete Gefühlswelten. „Ich setze mein ganzes Vertrauen in das Gebet“, schrieb er vor seinem Abtransport von Würzburg nach Dachau. Und aus dem Konzentrationslager Dachau heraus schrieb er: „Trost und Kraft und alles finden wir im Gebet und in der Hingabe an Gott.“

Georg Häfner trat in der Feier der heiligen Messe in den Abendmahlssaal ein. Hier wurde für ihn die Liebe Gottes für uns Menschen greifbar: Die Hingabe des Lebens Jesu Christi für uns Sünder. Was Jesus Christus durch sein Leiden und Sterben am Karfreitag für die Menschen erwirkt hat, ‚das Heil der Menschen‘, war schon am Gründonnerstagabend in der Abendmahlsfeier gegenwärtig und fand in den sakramentalen Zeichen von Brot und Wein bleibende Gültigkeit. Aus dieser Begegnung mit dem gegenwärtigen und heilenden Christus wuchs Georg Häfner auf dem Kreuzweg im Konzentrationslager Dachau eine bewundernswerte Glaubensfestigkeit zu. Entschlossen und kraftvoll ist er Christus nachgefolgt bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Sein eigenes Leiden hat er für die ihm anvertrauten Menschen aufgeopfert.

In der Hölle von Dachau fanden er und viele seiner Mitgefangenen, die oft genug bestialisch gequält, erniedrigt und zu Tode geschunden wurden, aus dem Gebet und der Feier der Eucharistie die Kraft, um Vergebung zu bitten und Vergebung zu gewähren – selbst den Peinigern. Die Forderung Jesu: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die Euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.“ (Lk 6, 27/28) scheint uns oft genug zuviel des Guten zu sein. Aus uns selbst können wir dies auch nicht erreichen. Dazu brauchen wir Gottes Hilfe. Dass es aber möglich ist, zeigen uns Menschen, die in Extremsituationen ihres Lebens, dazu die Kraft von Gott geschenkt bekommen haben. Darum lässt uns dieses Glaubenszeugnis in Dachau mit großer Dankbarkeit auf Georg Häfner als Seligen schauen. Er hat sich diese Forderung Jesu zu Eigen gemacht und

konsequent gelebt. Das wird deutlich in seinen Briefen aus dem KZ, wenn er schreibt: „Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachtragen, mit allen wollen wir gut sein“ oder „Für mich gibt es keine Feinde.“

Bei dieser Seligsprechung geht es nicht einfach darum, der Schar der Seligen und Heiligen einen weiteren hinzuzufügen, sondern darum, von ihm zu lernen, wie unser eigenes Leben besser gelingen kann. Wie Pfarrer Häfner eingewurzelt war in den gegenwärtigen Herrn, wie er ausgerichtet war auf den Himmel, wo sich unser Leben erst vollenden wird, wie er die Beziehung zu Christus Tag für Tag vertiefte, all das macht ihn zu einem Anwalt und Zeugen für das wirkliche Leben. Dazu sind auch wir berufen. Intensives Beten ist kein frommer Luxus, sondern der Weg zur persönlichen Begegnung mit Gott. Nehmen wir uns dafür die nötige Zeit, damit auch wir heute zu einem überzeugenden Glaubenszeugnis finden.

Wenn heute Georg Häfner als exemplarischer Zeuge der Glaubenstreue in der schweren Zeit des Nationalsozialismus selig gesprochen wird, erfahren damit aber auch all die ungenannten und unbekannten Zeugen, die in dieser schweren Zeit ebenfalls treu und konsequent ihren Glauben gelebt und den Nationalsozialisten so Widerstand geboten haben, ihre Würdigung. Dazu zählen die Männer und Frauen, die Priester und Ordensleute, die auch wegen ihres Glaubens und ihres Gewissens Schikane, Repressalien, Verfolgung, Haft und Lager erduldet haben. So steht hier und heute der eine Zeuge stellvertretend auch für die vielen.

Würzburg, Deutschland, ja die ganze Welt darf sich heute mit uns freuen, denn jetzt ist die Zeit der Gnade.

Amen.